Die Wochenzeitung „Mecklenburger Aufbruch“ (1989 bis 1993) – ein Dokument deutscher Zeitgeschichte
Innerhalb des gesellschaftlichen Umbruchs und der deutschen Einigung ab Ende 1989 vermochten die etablierten Tageszeitungen der DDR mit dem Tempo der Veränderungen nicht Schritt zu halten. Die Abkehr von der Führungsrolle der SED, das Eingeständnis politischer Fehler, das Aufgreifen tabuisierter Themen und die Einordnung des sich vollziehenden Wandels in die deutsche Geschichtsschreibung erfolgten nur sehr zögerlich. Dem ideologisch indoktrinierten Parteijournalismus waren solche Themen wesensfremd und nur mühsam zugänglich zu machen.
Andererseits verlangten sowohl die zeitgenössische Oppositions- und Bürgerrechtsbewegung als auch die Bevölkerung nach Öffentlichkeit. Westliche Zeitschriften und Bücher waren eine begehrte Informationsquelle, lieferten aber nie die unmittelbare Sicht der Betroffenen. Aus dieser Erkenntnis und aus einer gewissen Ohnmacht heraus gründete die ostdeutsche Intellektuelle Regine Marquardt im Dezember 1989 eine eigene Wochenzeitung mit dem Namen „Mecklenburger Aufbruch“. Aufmacher der ersten Ausgabe wird ein nachdenklicher Artikel über das künftige Deutschland.
In den regionalen Parteiblättern ließ sich dieser Text „Denk ich an Deutschland ...“ nicht platzieren, sondern er schien verfrüht und womöglich gar aufrührerisch. Nun initialisierte er etwas Außergewöhnliches: den Kampf „David gegen Goliath“. Ein Neuling ohne Kapital, ohne Vertriebsnetz, ohne publizistische Erfahrung und ohne technisches Equipment fordert eine zwar wankende, doch immer noch selbstgefällige Allmacht heraus. Diese schickte sich gerade an, ihre Position als Meinungsmacher durch die Allianz mit westlichen Medienkonzernen zu restituieren und sich überparteilich zu nennen.
In dieser Situation verkörpert die Wochenzeitung „Mecklenburger Aufbruch“ für die ostdeutsche Presselandschaft zwischen 1989 und 1993 etwas völlig Neuartiges, Ursprüngliches und Unverbrauchtes. Redakteure von der Basis berichten unzensiert über entdeckte Stasi-Hinterlassenschaften, Gespräche an sog. „Runden Tischen“, die ersten freien Wahlen, das wiedererstehende Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Rückblick und hoffnungsvolle Vision vermischen sich. Der Geist des Aufbruchs prägt und trägt die Zeitung bis zum Jahre 1993, bevor er den gewendeten altetablierten Lokalblättern wieder das Feld überlässt.